Warum man mit Geld nicht führen kann

Die Versuchung ist groß: Aus emotionaler Distanz regeln Manager ihre Teams anonym mit irgendwelchen Bonus-Systemen nach der Devise „je mehr Leistung, desto mehr Geld“. Und zunächst ist das ja auch enorm einleuchtend – was spricht dagegen, seine guten Mitarbeiter zu belohnen? Eine Menge!

Personalsteuerung aus der Steinzeit

Vor allem in vertriebslastigen Unternehmen gibt es ausgeklügelte Bonus- und Provisionssysteme – das Hecheln nach Zielerreichungen oder Abschlüssen geht los. Top-Performer werden prämiert, Urkunden verteilt und Karrieremodelle ins Unermessliche skaliert. Das Schöne ist, dass man so den vermeintlich besten Mitarbeiter anhand von Datenauswertungen und Zahlen bestimmen kann, ohne wirklich das Team bzw. das Sozialgefüge kennen zu müssen.

Jeder im Unternehmen, auch die Geschäftsleitung, kann sich die Rangliste anschauen und ganz leicht den „wertvollsten Mitarbeiter“ identifizieren. So mögen wir das – das ist Performance-Steuerung in Reinform.

Ein Steuerungssystem für alle Teams

Und weil das ganze in Vertriebsstrukturen gut zu funktionieren scheint, werden Bereichsleiter dazu bewegt, das Prinzip der Leistungsprovision auch auf ihre Teams anzuwenden. Das Streben nach permanenter Überwachung von Mitarbeitern anhand von KPIs (Leistungskennzahlen) ist einfach zu verlockend.

Dabei gibt es enorm viele Probleme zu bewältigen: Die Zieldefinition (KPI) sollte mit Bedacht gewählt werden. Dabei müssen die Ziele für jeden Mitarbeiter beeinflussbar sein und nicht in Abhängigkeit zu anderen stehen. Vor allem aber muss Arbeit berücksichtigt werden, die nicht der Zielerreichung dient, aber vielleicht das ganze System und damit das Unternehmen einen Schritt weiterbringt. Wie kann man das sinnvoll messen?

Die großen Defizite der Mitarbeitersteuerung mit Provisionen

Neben den oben aufgeführten Problemen birgt die Übernahme dieser Performance-getriebenen Mitarbeitersteuerung aus dem Vertrieb vor allem für kreative Teams große Defizite.

Die mangelnde Nachhaltigkeit

Selbst in Vertriebsstrukturen gibt es immer mehr Unternehmen, die von Bonus- und Provisionsmodellen wieder Abstand nehmen. Die Beobachtung dort entspricht auch meiner persönlichen Wahrnehmung: Belohnungen nützen sich ab.

Natürlich befeuern solche Belohnungszahlungen bei Erreichen irgendwelcher Ziele eine kurzfristige Zielerreichung. Auch in Teams abseits des Vertriebs. Spätestens aber, wenn nach einer gewissen Zeit keine weitere Steigerung der Belohnung einsetzt, verlieren wir das Interesse an der rein monetären Motivation. Vor allem dann, wenn sich niemand die Mühe macht, zu erklären, warum das gewählte Ziel wichtig für das Unternehmen ist. Kaum ein Angestellter zieht länger als ein halbes Jahr seine Energie aus dem Erhalten von Belohnungszahlungen. Spätestens dann tritt eine Abnutzung ein – entweder man muss die Höhe der Belohnung steigern oder man verliert den Mitarbeiter.

Die Karrierespirale

Um diesem Effekt entgegenzuwirken, gibt es meist Karrieremodelle, die eine stetige Steigerung der Provisionen beinhalten. Und es wird inflationär mit Ehrungen und Titeln gefeuert – das hat zur Folge, dass fast jeder heute mit 28 mindestens „Senior irgendwas“ ist und kein Verständnis dafür hat, warum „Berufserfahrung“ statt in erreichten Zielen in Jahren gemessen wird.

Besser: faire Bezahlung ohne Bonus

Viel besser geeignet für kreative, junge Teams – vor allem im Startup-Umfeld – ist meiner Meinung nach ein faires Festgehalt. Motivation sollte nicht von finanziellen Anreizen herrühren. Dennoch sollte natürlich gute Arbeit auch gut entlohnt werden. Die Qualität eines Mitarbeiters bemesse ich aber nicht primär an der Zielerreichung in einem einzelnen Monat.

Was ist ein guter Mitarbeiter?

Dies ist die zentrale Fragestellung. Ist ein wertvoller Mitarbeiter jemand, der ohne Sinn und Reflexion nur seine persönlichen Ziele im Blick hat?

Nein. Ein wertvoller Mitarbeiter ist jemand, der die höheren Ziele und Missionen des Unternehmens teilt. Man muss ihm keine Ziele mehr setzen – er findet selbst sinnvolle Ziele und versteht, wie er eine Firma weiterbringen kann. Solch ein Angestellter ist auch enorm wertvoll für das Team und dessen Sozialgefüge.

Als Vorgesetzter muss ich dafür sorgen, dass sich so jemand frei entfalten kann, ich ihm Vertrauen entgegenbringe und ihn nicht nach Einzelzielen bewerte, sondern nach der Sinnhaftigkeit seines Handelns. Das ist nicht die Bewertung auf Monatsebene, hier geht es um die Einschätzung des Wertes einer Person, wenn sie sich in den Dienst der Firma stellt.

Die Aufgabe von Führung: Anreize setzen

Wenn Geld als Motivation wegfällt, wie bewegt man seine Mitarbeiter dann dazu, etwas zu tun? Genau das ist Führung! Im Gegensatz zum reinen Steuern (Liste der Top-Performer anschauen und dann den obersten bezahlen), geht es beim Thema Führung darum, seine Mitarbeiter gut zu kennen: Wissen, was sie antreibt, verstehen, warum sie morgens zur Arbeit kommen und dafür sorgen, dass sie ein Umfeld vorfinden, in dem sie „wertvoll“ sind. Die KPIs erfüllen sich dann von selbst.

Blind Ziele verfolgen vs. Mitarbeiter in die Lage versetzen, zu verstehen, was sinnvoll ist

Der Klassiker: Das Ziel wird festgelegt und als erstes werden die Grenzen des Reglements ausgenutzt, um irgendwie die Ziele zu erreichen. Das Setzen der Ziele wird also vom Umsetzen der Zielerfüllung entkoppelt. Meist definieren Manager diese Ziele und stülpen sie – mal schlechter, mal besser erklärt – einer Mannschaft über, die dann nur noch die Ziele erfüllen soll. Selten ist damit wirklich klar, was das Ziel im Gesamtkontext bedeutet.

Viel besser ist es, wenn Aufgabe und Mission einer Firma oder Abteilung so klar sind, dass sich die Mitarbeiter selbst die Ziele setzen. Das erfordert natürlich ein hohes Maß an Vertrauen und eine aufgeklärte Belegschaft. Eben eine gute Führung.

Wenn dies aber der Fall ist, dann haben Mitarbeiter keine Angst vor ambitionierten Zielen. Sie scheuen sich nicht davor, auch komplexe Aufgaben anzupacken – weil sie eben sinnvoll sind, das Unternehmen oder die Art des Arbeitens verbessert und voranbringt.

Warum dann also ein Bonus?

Genau dann ist eine Bezahlung auf Grundlage von KPIs sogar hinderlich. Keiner setzt sich selbst ambitionierte Ziele, wenn er weiß, dass sein Gehalt davon abhängt. Alle würden sich immer konservative, erreichbare Vorgaben setzen und dadurch die Dynamik ausbremsen.

Viel besser ist hier, guten Mitarbeitern einfach ein starkes und gutes Fixgehalt zu zahlen. Ich würde sogar auf variable Anteile auf Basis einer Quartalsbewertung verzichten. Faires Gehalt für gute Arbeit. Sicherheit für den Angestellten und voller Einsatz für das Unternehmen. So klingt ein guter Deal für mich.

Der Schlüssel: die Führungskraft

Um diese Art von Zieldefinition und Motivation umzusetzen, braucht es eine neue Art Führungskraft. Nicht der Manager, der aus der Ferne steuert und Beförderungen ausspricht. Es braucht einen klugen, bedachten Teamlead, der seine Leute gut kennt, nachhaltig entwickelt und sowohl persönliche als auch Team-Anreize schaffen kann. Dafür benötigt die Führungskraft eine hohe Sozialkompetenz, um einschätzen zu können, was Menschen bewegt und wie man die individuellen Bestrebungen quasi in Unternehmensrichtung lenkt.

Aber erst, wenn man sich von der blinden Zielverfolgung abwendet hin zu einer emanzipierten Mitarbeiter-Mitgestaltung, dann hat man Firmenziele auf Steroiden.

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Bild: © zwiebackesser / Fotolia.

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